Finden Sie Ihre
Pfarrei in der Stadt

«Echter Glaube kennt keinen Hass»

21.03.2024
Ann-Katrin Gässleins Rede an der Mahnwache vor der Grabenhalle, 16. März 2024

«Wir sind alle betroffen»

Vor fast genau zwei Jahren starb nach einem langen Leben unser St. Galler Rabbiner Tovia Ben Chorin. Tovia hatte nach vielen Jahren Einsatz in der israelischen Armee entschieden, sein Leben bis zum Tod dem interreligiösen Dialog zu widmen. Vor vier Jahren hatte ich die Ehre, ihn zu einem muslimischen Fastenbrechen im Ramadan zu begleiten. Dort grüsste und segnete er die ganze muslimische Gemeinde und beglückwünschte uns: «In St. Gallen», so sagte er, «leben wir im Vorhof des Paradieses.»
Dieser «Vorhof des Paradieses» - unser Land mit unserer wunderschönen Natur, unseren Bergen und Seen, unseren vielen Kulturen, Sprachen und Religionen – ist bedroht. Durch unsere Hilflosigkeit angesichts der Kriege und des Leids auf der Welt, durch Hassaufrufe in den sozialen Medien und durch einen lebensbedrohlichen Angriff auf einen Mann jüdischen Glaubens in Zürich. Ein Angriff, der nicht isoliert für sich steht, sondern in einer verhängnisvollen Geschichte antisemitischer Übergriffe auf Menschen jüdischen Glaubens, auch hier bei uns.

Alle, die wir uns im interreligiösen Dialog seit Jahren engagieren, teilen ein tiefes Verlangen nach Toleranz und Verständigung. Vieles gelingt sehr gut, weil wir uns kennenlernen und Freundschaften schliessen: von Mensch zu Mensch Aber für vieles fehlen uns die Kräfte und eine breite Unterstützung durch eine Gesellschaft, die Religion an sich als «Wurzel allen Übels» betrachtet, isolieren will und die moderaten, friedfertigen Kräfte alleine lässt. Wir erreichen nicht alle Menschen, doch wir müssen uns besonders um junge Menschen bemühen, die anfällig für radikale Strömungen sind. Sie sollten nicht nur Menschen anderen Glaubens kennenlernen, sondern Vorbilder in der eigenen Tradition finden, die sich klar bekennen: Echter Glaube kennt keinen Hass!

Als religiöse Menschen wissen wir: Ein Einsatz für Frieden, im Kleinen und im Grossen – ist nicht nur Notwendigkeit für ein sicheres Leben in Wohlstand, sondern eine Verpflichtung von uns Menschen, gegeben von oder rückgeführt auf eine andere Wirklichkeit, und einige nennen sie Gott. Als Menschen – als Geschöpfe Gottes – können wir uns auch gestärkt wissen, dass wir mit unserem Einsatz für Frieden und Versöhnung nicht alleine sind. So möchte ich mit einem kleinen «Gebet um Frieden» schliessen, das dem Hl. Franz von Assisi zugesprochen wird, und das uns und Ihnen allen auch Mut zusprechen soll:
Herr, mach mich zu einem Werkzeug Deines Friedens, dass ich liebe, wo man hasst; dass ich verzeihe, wo man beleidigt; dass ich verbinde, wo Streit ist; dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält; dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert; dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt. Amen.
 

suche
Kontakte
Agenda
Gottesdienste
Datenschutz